PETER VOIGT

Bilder als Wirklichkeit

Das Herzog Anton Ulrich-Museum in Braunschweig, sonst eher der älteren Kunst zugewandt, öffnet sich zur Zeit und das auf das Vorteilhafteste dem Œuvre des im September vergangenen Jahres verstorbenen Künstlers und Hochschullehrers Peter Voigt, dessen Werk jetzt in einer sehr schönen Überblicksschau präsentiert wird. Dem Gegenständlichen verpflichtet und nicht den modischen Trends des Kunstmarktes folgend, zentrieren sich seine Themen dabei, die Ausstellung zeigt es deutlich, um das Problem des Eigenen und des Fremden und um die möglichen Bild-Wirklichkeiten, die bei ihm zu Bilderwirklichkeiten werden.

Angelegt sein mag all dies in der Biographie des 1925 in Braunschweig geborenen, der als ein prägendes Erlebnis den Tod seines Zwillingsbruders erleben musste. Aus der Kriegsgefangenschaft dann heimgekehrt und nach einem Studium erst an der Werkkunstschule in Braunschweig, danach in Hamburg (Gebrauchsgrafik und freie Grafik) und Berlin (Malerei und Kunstpädagogik), be- und verarbeitete Voigt dieses Erlebnis im Malerischen. Doch nicht eine bloß persönliche Bewältigung war das Ziel und Ergebnis seiner Erlebnisaufarbeitung, sondern eine grundsätzliche darüber hinausweisende Malerei entstand innerhalb eines schmalen Œuvres.

So finden sich neben seinen frühen expressiven Anfängen mit Holzschnitten wie dem Stierkampf bereits und dann fortgesetzt die Zwillinge als Motiv, die immer wieder eine Hoffnung auf Gemeinsamkeit signalisieren, die doch nicht möglich zu sein scheint. Am und im eigenen fremd zu sein, steht hier im Mittelpunkt. Doch Peter Voigt berichtet dabei nicht anekdotenreich von der eigenen Vergangenheit, sondern eher von den künstlerischen Möglichkeiten, damit umzugehen.

Eine Bildfindung von ihm, die diesen Gedanken aufnimmt, erscheint in seinen Buchbildern, die eben nicht lediglich die Vergangenheit aufleben lassen, wenn sie wie ein aufgeblättertes Fotoalbum mehrere Bilder zeigt. Viel eher thematisieren sie die künstlerischen Kompositionsbedingungen, die nach der vor-bildlichen Wirklichkeit fragen, nach dem, was geglaubt werden kann. Und eine solche malerische Aktualisierung des Sehens und Bedenkens findet letztlich auch in seinen anderen Bildern aus den sechziger Jahren statt, in denen sich Peter Voigt mit dem Problem des und der Gefangenen auseinandersetzt.

Dass ein solches Engagement dann auch aus dem Künstlerischen herausführt und in den Alltag leitet, ist für den Lebensweg von Voigt bezeichnend, der sich in den sechziger und siebziger Jahren als Rektor und Prorektor dem Aufbau und der Leitung der Braunschweiger Kunsthochschule gewidmet hat. Eine Tätigkeit, die sein schmales Œuvre mit bedingt, denn nur ‚nebenbei‘ ist bei ihm weder die Kunst noch die Hochschule mit seinen Studierenden gewesen, sondern jede seiner Aktivitäten fand seine konzentrierte Zuwendung.

Das abbildungsreiche Katalogbuch zur Ausstellung mit einer instruktiven Einleitung von Lothar Romain weist mit dem Abbildungsteil über die Präsentation im Museum hinaus und dürfte für die nächste Zeit als gütiges Übersichtswerk zu den Arbeiten von Peter Voigt gelten.

Frank Kurzhals

Hannoversche Allgemeine Zeitung, Februar 1991.